Bundessozialgericht

Verhandlung B 7 AS 21/22 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Unterkunft und Heizung - Heizkostennachforderung - Stromkostenguthaben - Energieversorger - interne Verrechnung

Verhandlungstermin 10.04.2024 11:30 Uhr

Terminvorschau

1. J. C., 2. A. C. ./. Kreis Schleswig-Flensburg
Im Streit stehen höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Monat Februar 2018, nach einer Gesamtabrechnung des Energieversorgers für das Jahr 2017, bei der dieser einem Stromkostenguthaben eine Nachforderung für die Gaslieferung gegenüberstellte und schlussendlich zum 5. Februar 2018 den sich hieraus ergebenden Differenzbetrag von den Klägern forderte.

Das beklagte Jobcenter bewilligte unter anderem den beiden Klägern - Eheleuten - als Teil einer Bedarfsgemeinschaft vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum von Dezember 2017 bis Ende Juni 2018. Die Vorläufigkeit wurde mit schwankendem Einkommen aus Erwerbstätigkeit und einer zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht vorliegenden Bestimmung der Höhe der Abschlagzahlung des Energieversorgers für 2018 begründet. Im Rahmen der abschließenden Feststellung für Januar und Februar 2018 gelangte der Beklagte nach Anrechnung von Überzahlungen und Nachzahlungen zu Erstattungsforderungen von je rund 42 Euro für die beiden Kläger.

Diese Entscheidungen wurden bestandskräftig. Die Kläger begehrten alsdann deren Überprüfung. Der Beklagte habe im Monat Februar 2018 zu Unrecht nur eine Forderung des Energieversorgers in Höhe von rund 45 Euro für Gaslieferungen in die Berechnung der Leistungen einfließen lassen. Dies lasse außer Acht, dass sie höhere Abschläge für Stromlieferungen an den Energieversorger geleistet hätten, als zu zahlen gewesen wären. Insoweit habe sich ein Guthaben ergeben. Dieses habe der Energieversorger jedoch nicht ausgekehrt, sondern mit seiner gegenüber den Abschlagzahlungen höheren Forderung für Gaslieferungen “aufgerechnet“. Soweit der Beklagte nur die sich daraus ergebende Nachforderung des Energielieferanten als Bedarf für Heizung leistungserhöhend bei der abschließenden Feststellung berücksichtigt habe, bleibe diese hinter den tatsächlichen Aufwendungen für Heizung zurück. Hieraus folge, dass sie - die Kläger - schlussendlich rechtswidrig einen Teil des Heizbedarfs aus dem Regelbedarf hätten decken müssen. Der Beklagte lehnte eine die Kläger begünstigende Entscheidung ab. Denn sie seien tatsächlich nur einer Forderung von rund 45 Euro durch den Energieversorger ausgesetzt gewesen und im Übrigen seien ohnehin höhere Leistungen für Heizung erbracht worden, als den Klägern zugestanden hätten.

Das Sozialgericht hat den Überprüfungsbescheid aufgehoben, den Beklagten verpflichtet, den Bescheid über die abschließende Feststellung zu ändern und den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft für den Monat Februar 2018 in Höhe von je 117 Euro zu gewähren. Durch die “Aufrechnung“ von Stromkostenguthaben und Gaslieferungsnachforderung durch den Versorger komme es de facto zu einer rechtswidrigen Berücksichtigung des Stromkostenguthabens als Einkommen. Die Kläger hätten Anspruch auf die Deckung weiterer Heizkostenbedarfe in Höhe von je 92 Euro und rund 25 Euro für Strom zum Betrieb der Heizungsanlage.

Das Sozialgericht hat die von dem Beklagten eingelegte Sprungrevision zugelassen. Er rügt eine Verletzung des § 22 Absatz 1 SGB II.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Schleswig, S 35 AS 635/18, 10.08.2022

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 11/24.

Terminbericht

Auf die Revision des Beklagten hat der Senat die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Es war dem Senat anhand der Feststellungen des Sozialgerichts nicht möglich zu beurteilen, ob den Klägern, auch unter Berücksichtigung höherer Aufwendungen für Heizung, Leistungen in der vom Sozialgericht beziffert zugesprochenen Höhe zustehen. Eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II ändert nichts daran, dass im Rahmen der abschließenden Feststellung nach § 41a SGB II etwa das Erfordernis der Durchschnittseinkommensbildung und das des Ausgleichs von Überzahlungen und möglichen Nachzahlungen nur im Bewilligungszeitraum zu beachten ist.

Zutreffend hat das Sozialgericht allerdings erkannt, dass die Aufwendungen der Kläger für Heizung höher sind als vom Beklagten bislang berücksichtigt. Zu den tatsächlichen Aufwendungen für die Heizung im Sinne des § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II gehören die geschuldeten, in monatlichen Abschlägen zu zahlenden Heizkostenvorauszahlungen. Sie sind entsprechend ihrem Fälligkeitstermin im betreffenden Monat zu berücksichtigen. Kommt es nach Abrechnung der tatsächlich verbrauchten Wärme zu Nachzahlungsverlangen, gehören solche einmalig geschuldeten Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat. Dem Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts ist hingegen insbesondere die Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile zugeordnet.

Beziehen Leistungsberechtigte Lieferungen für Wärme und Strom von einem Energieversorgungsunternehmen, ist Aufwendung im Sinne des § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich die Forderung des Unternehmens für Wärmelieferungen nach Abzug der Vorauszahlungen im Rahmen der Jahresabrechnung. Das ändert sich nicht durch eine nachfolgend vorgenommene Aufrechnung durch den Energieversorger mit einem Guthaben aus den Abschlagszahlungen für die Stromlieferung. Die in die Jahresrechnungen des Energieversorgungsunternehmens eingestellten Forderungen für Wärme (Forderung des Energieversorgungsunternehmens) und Strom (Forderung gegen das Energieversorgungsunternehmen) sind getrennt voneinander zu betrachten. Beiden Positionen liegen separate Verträge zugrunde. Nichts anderes gilt, wenn die Gas- und Stromlieferungen im Rahmen von Grundversorgungsverhältnissen erfolgen sollte.

Die Mitteilung des Energieversorgungsunternehmens über einen letztlich noch auszugleichenden Betrag bezieht sich insoweit lediglich auf das Abrechnungsergebnis nach durchgeführter Aufrechnung. Anders als der Beklagte meint, begrenzt dieses Abrechnungsergebnis den Bedarf nicht. Es verbleibt mit der in die Aufrechnung eingeflossenen Nachforderung für die Gaslieferung bei einer ernsthaften Forderung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

Hieraus folgt, die Nachforderung für die Gaslieferung erhöht den Bedarf der Kläger für Heizung und das Guthaben bei der Stromlieferung ist nach § 22 Absatz 3 SGB II nicht als Einkommen bei der Berechnung des Alg II zu berücksichtigen.

Soweit das Sozialgericht zusätzlich Stromkosten für den Betrieb der Gastherme als Heizkostenbedarf berücksichtigt hat, ist dies dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Allerdings ist den Feststellungen des Sozialgerichts nicht zu entnehmen, dass die Kläger im Februar 2018 Abschläge für Strom zu zahlen hatten oder einer Nachforderung aus der Jahresabrechnung für Strom und das Kalenderjahr 2017 ausgesetzt gewesen sind. Gegebenenfalls gibt es keine Aufwendungen, die als Bedarf im Februar 2018 berücksichtigt werden könnten. Die Prüfung von Bedarfen aus einer Nebenkostenabrechnung (hier im Februar 2018) dient grundsätzlich nicht der nachträglichen Korrektur möglicherweise rechtswidriger Bewilligungsentscheidungen für das Abrechnungsjahr (hier für 2017).

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 11/24.

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